Egal wie erfahren, wie trainiert, wie professionell jemand im Umgang mit seinen Gefühlen sein mag – meine Erfahrung ist, dass jeder mal in eine Situation kommen kann, wo es wirklich hart wird. Wo wir derartig wütend, traurig, verzweifelt sein können, dass unser Gehirn total blockiert und wir überhaupt keinen Zugang mehr zu unserem rationalen Denken haben.
Wir haben vielleicht auf Seminaren oder aus Büchern Übungen gelernt, wie wir mit starken Gefühlen umgehen. Wir haben vielleicht Techniken gelernt, damit wir uns im entscheidenden Moment selbst auffangen können. Vielleicht ein Gedanke, eine Körperhaltung, eine Atemtechnik, ein Mudra, ein Mantra, ein Bild, das wir uns für solche Fälle als Erinnerung aufgestellt haben….
Das alles kann ganz wundervoll funktionieren. Trotzdem kann es in hochemotionalen Situationen passieren, dass hochsensible Menschen ‚durchrutschen‘. Die Gehirnchemie ist so schnell und deutlich verändert, dass diese eine Sekunde des Luftholens für eine rationalen Check, des Überlegen-Könnens oder des Erinnerns an die Technik nicht zur Verfügung steht.
Für diejenigen, die den Schlüssel für ‚die eine Sekunde Luft/Zeit zur Beruhigung‘ noch nicht gefunden haben, möchte ich heute einen emotionalen ‚Rettungsanker‘ vorstellen, der von mir ‚kampferprobt‘ ist.
Die Übung ist inspiriert von der buddhistischen Tradition des Tongelen. Es ist also nicht von mir erfunden, aber etwas angepasst für die heutige Zeit.
Und hier ist die Übung:
- In dem Moment, in dem du irgendein Gefühl wahrnimmst, egal was immer es sein mag, Aufregung oder Angst oder vielleicht sogar ein sehr positives Gefühl, und du hast den starken Impuls, etwas zu tun, dass dich vom Gefühl wegbringt (oh, ich hätte jetzt gerne einen Kaffee, ah, meine Lieblingsserie im Fernsehen kommt gleich oder ich muss ja unbedingt noch xy anrufen…) dann STOPPST du.
- Du stoppst, drehst dich um und gehst direkt auf das Gefühl zu. (Das ist am Anfang schwierig. Wir wollen doch weg vom negativen Gefühl, anstatt dessen soll ich freiwillig ganz bewusst dorthin gehen? Ja, genau darum geht es.)
- Stell dir vor dieses Gefühl wäre auf einem Kompass der magnetische Norden, auf den du dich ausrichten sollst.
- Und du inhalierst das Gefühl direkt in dein Herz hinein. Du atmest es direkt in deine Brust hinein.
- Und du hältst für einen Moment den Atem an. Für diesen Moment machst du eine Pause und verbindest dich gedanklich mit den Millionen von Menschen, die in genau diesem Moment genau das gleiche Gefühl haben. Du bist niemals der einzige auf der Welt, der gerade dieses Gefühl hat.
- Und dann atmest du aus. Du atmest FRIEDEN aus. Für dich selbst und für jeden anderen Menschen, der dieses Gefühl in diesem Moment auch gerade hat.
- Und vielleicht verändert sich das Gefühl ein wenig. Vielleicht war es vorher Wut uns plötzlich spürst du sehr viel Angst. Das ist in Ordnung so.
- Orientiere dich weder am magnetischen Norden. Stell dir vor, dieses neue Gefühl ist nun auf dem Kompass der magnetische Norden, auf den du dich ausrichten sollst.
- Du atmest dieses Gefühl auch wieder direkt in dein Herz hinein. Und fülle deine Lungen und den ganzen Bauchraum mit diesem Gefühl
- Dann hältst du wieder für einen Moment den Atem an, und denkst in dieser Pause an all die Millionen Menschen, die jetzt das gleiche Gefühl haben
- Du atmest aus und dieses Mal atmest du STÄRKE aus. Für dich selbst und jeden Menschen, der das gleiche Gefühl fühlt.
- Ein drittes Mal atmest du das Gefühl direkt in dein Herz, hältst deinen Atem für einen Moment an, denkst an all die Menschen, die das auch gerade fühlen und du atmest HEITERE GELASSENHEIT aus. Für dich selbst und jeden Menschen auf der Welt, der jetzt auch dieses Gefühl hat.
Jedes Mal, wenn du das machst, wird sich die Erfahrung ändern.
Und das ist meiner Meinung nach auch eine unserer Aufgaben hier in dieser Inkarnation. Zu fühlen, was wir fühlen, unser eigenes, einzigartiges Leben zu erfahren und zu bewältigen. Dies ist dein aktuelles Leben, das Leben, das du jetzt bewusst gestaltest.
Wenn du ein aktuelles Gefühl, das dich stresst, mit jeder Zelle deines Körpers einatmest, wird du merken, wie der Stress nachlässt.
In dem Moment, wenn wir nicht mehr versuchen, weglaufen, werden wir ruhig, stark und friedlich.
Natürlich gilt auch hier: Übung macht den Meister! Wenn ihr das eine Zeit lang in jeder Situation übt, in der euch ein etwas stärkeres Gefühl ‚beschleicht‘, dann wird es zur selbstverständlichen Routine.
Ihr könnt es immer abrufen – auch dann, wenn euer Gehirn gerade ein Stressfeuerwerk abfeuert und der Verstand keine Chance mehr hat, etwas beizutragen.
Viel Erfolg beim Üben!